Disclosure-Verordnung: Offenlegungspflichten kommen doch pünktlich!

Header_Andreas_Dolezal_Sustainable_Finance

Die Hoffnung, dass die Anwendung der Disclosure-Verordnung, der Verordnung (EU) 2019/2088 vom 27. November 2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor, eventuell verschoben wird, hat sich zerschlagen. Die EU-Kommission hat Berichten zufolge erklärt, dass die Bedeutung des Themas herausragend sei und deswegen die Offenlegungsverordnung nicht verschoben werden könne. Es bleibt also beim Termin 10. März 2021. Daher ist es dringend an der Zeit, Schritt für Schritt einen intensiven Blick auf die Details zu werfen.

Welches Ziel verfolgt die EU?

Da sich die Union in zunehmendem Maße mit den katastrophalen und unabsehbaren Folgen des Klimawandels, der Ressourcenverknappung und anderer nachhaltigkeitsbezogener Probleme konfrontiert sieht, müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden, um Kapital zu mobilisieren, und zwar nicht nur durch die Politik, sondern auch durch den Finanzdienstleistungssektor.
(Erwägungsgrund 8 der Disclosure-Verordnung)

Ziel dieser Verordnung ist es, Informationsasymmetrien in den Beziehungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern im Hinblick auf

  • die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken,
  • die Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen,
  • die Bewerbung ökologischer oder sozialer Merkmale sowie
  • im Hinblick auf nachhaltige Investitionen

dadurch abzubauen, dass Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zu vorvertraglichen Informationen und laufenden Offenlegungen gegenüber Endanlegern verpflichtet werden, wenn sie als Auftragnehmer im Namen der dieser Endanleger (Auftraggeber) handeln.
(Erwägungsgrund 10 der Disclosure-Verordnung)

(…) Mit dieser Verordnung soll mehr Transparenz darüber geschaffen werden, wie Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater Nachhaltigkeitsrisiken in ihre Investitionsentscheidung, Anlageberatung oder Versicherungsberatung einbeziehen.
(Erwägungsgrund 15 der Disclosure-Verordnung)

Um die Zuverlässigkeit der Informationen zu gewährleisten, die auf den Internetseiten von Finanzmarktteilnehmern und Finanzberatern veröffentlicht werden‚ sollten diese Informationen stets auf dem neuesten Stand gehalten werden und sollte jede Überarbeitung oder Änderung solcher Informationen klar erläutert werden.
(Erwägungsgrund 26 der Disclosure-Verordnung)

ACHTUNG: während in vielen vorhandenen Richtlinien und Verordnungen die Art und Weise des Veröffentlichens nicht näher definiert wird, legt die Disclosure-Verordnung das Veröffentlichen auf einer Internetseite (sowie in vorvertraglichen Informationen) fest. Ohne Internetseite geht es augenscheinlich in Zukunft nicht mehr. Die Frage, wie jene, die über keinen Internetzugang verfügen, zu diesen Informationen kommen, bleibt vorerst unbeantwortet.

Die Disclosure-Verordnung legt in diesem Sinne harmonisierte Vorschriften über

  • Transparenz bei der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken und
  • der Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen in ihren Prozessen und
  • bei der Bereitstellung von Informationen über die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten

für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater fest.

Wer sind die Adressaten?

Für das Verständnis sowie das Darstellen der weitreichenden Auswirkungen der Disclosure-Verordnung auf Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater in diesem sowie den noch folgenden Beiträgen, ist ein Blick auf die Begriffsbestimmungen unverzichtbar.

Finanzmarktteilnehmer (Art 2 Z 1 Disclosure-VO)

  • a) ein Versicherungsunternehmen, das ein Versicherungsanlageprodukt (insurance-based investment product, IBIP) anbietet;
  • b) eine Wertpapierfirma, die Portfolioverwaltung erbringt;
  • c) eine Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung (EbAV);
  • d) einen Hersteller eines Altersvorsorgeprodukts;
  • e) einen Verwalter alternativer Investmentfonds (alternative investment fund manager, AIFM);
  • f) einen Anbieter eines Paneuropäischen Privaten Pensionsprodukts (pan-European Personal Pension Product, PEPP- Anbieter);
  • g) einen Verwalter eines qualifizierten Risikokapitalfonds (…);
  • i)eine Verwaltungsgesellschaft für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-Verwaltungsgesellschaft); oder
  • j) ein Kreditinstitut, das Portfolioverwaltung erbringt;

Finanzberater (Art 1 Z 11 Disclosure-VO)

  • a) einen Versicherungsvermittler, der Versicherungsberatung für IBIP erbringt;
  • b) ein Versicherungsunternehmen, das Versicherungsberatung für IBIP erbringt;
  • c) ein Kreditinstitut, das Anlageberatung anbietet;
  • d) eine Wertpapierfirma, die Anlageberatung anbietet;
  • e) einen AIFM, der Anlageberatung (…) anbietet; oder
  • f) eine OGAW-Verwaltungsgesellschaft, die Anlageberatung (…) anbietet;

Auch wenn die Disclosure-Verordnung stets von Wertpapierfirmen spricht, sind damit wohl auch Wertpapierdienstleistungsunternehmen umfasst, die Anlageberatung erbringen. Denn erstens gibt es auf europäischer Ebene keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen (diese sind ja ein österreichisches Spezifikum), zweitens stellt die Definition „Wertpapierfirma“ in der Disclosure-Verordnung auf Artikel 4 Absatz 1 Ziffer 1 der Richtlinie 2014/65/EU ab, und diese besagt:

„Wertpapierfirma“ (ist) jede juristische Person, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt und/oder eine oder mehrere Anlagetätigkeiten ausübt.

Daher ist davon auszugehen, dass auch österreichische Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Anlageberatung anbieten, grundsätzlich von der Disclosure-Verordung und sämtlichen Pflichten umfasst sind. Obwohl ausdrücklich von juristischen Personen die Rede ist, werden wahrscheinlich auch natürliche Personen mit „kleiner“ Konzession betroffen sein, aber das ist genau genommen ein offener Punkt.

Zum „Rettungsanker“ für ganz kleine Wertpapierfirmen und Versicherungsvermittler könnte Artikel 17 der Disclosure-Verordnung werden, der Ausnahmen regelt:

(1) Diese Verordnung gilt weder für Versicherungsvermittler, die Versicherungsberatung für IBIP anbieten, noch für Wertpapierfirmen, die Anlageberatung anbieten, bei denen es sich – unabhängig von ihrer Rechtsform – um Unternehmen handelt, einschließlich natürlicher Personen und Selbstständiger, sofern sie weniger als drei Personen beschäftigen.

Allerdings überlässt es die europäische Kommission den einzelnen Mitgliedstaaten, ob sie diese Ausnahmeregelung in nationales Recht übernehmen. Es bleibt also abzuwarten, ob sich der österreichische Gesetzgeber dazu entschließt.

Ebenso sind Erfüllungsgehilfen von Wertpapierfirmen (und Wertpapierdienstleistungsunternehmen) in Form von vertraglich gebundenen Vermittlern und Wertpapiervermittlern indirekt von den Bestimmungen umfasst.

Finanzprodukt (Art 1 Z 12 Disclosure-VO)

  • i) ein Portfolio, das gemäß Nummer 6 (Anm.: „Portfolioverwaltung“) des vorliegenden Artikels verwaltet wird;
  • ii) einen alternativen Investmentfonds (AIF);
  • iii) ein IBIP;
  • iv) ein Altersvorsorgeprodukt;
  • iv) ein Altersversorgungssystem;
  • v) einen Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW); oder
  • vi) ein PEPP;

nachhaltige Investition (Art 1 Z 24 Disclosure-VO)

eine Investition in eine wirtschaftliche Tätigkeit, die zur Erreichung eines Umweltziels beiträgt, gemessen beispielsweise an Schlüsselindikatoren für Ressourceneffizienz bei der Nutzung von Energie, erneuerbarer Energie, Rohstoffen, Wasser und Boden, für die Abfallerzeugung, und Treibhausgasemissionen oder für die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die Kreislaufwirtschaft, oder eine Investition in eine wirtschaftliche Tätigkeit, die zur Erreichung eines sozialen Ziels beiträgt, insbesondere eine Investition, die zur Bekämpfung von Ungleichheiten beiträgt oder den sozialen Zusammenhalt, die soziale Integration und die Arbeitsbeziehungen fördert oder eine Investition in Humankapital oder zugunsten wirtschaftlich oder sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen, vorausgesetzt, dass diese Investitionen keines dieser Ziele erheblich beeinträchtigen und die Unternehmen, in die investiert wird, Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung anwenden, insbesondere bei soliden Managementstrukturen, den Beziehungen zu den Arbeitnehmern, der Vergütung von Mitarbeitern sowie der Einhaltung der Steuervorschriften;

Insbesondere Wertpapierdienstleister sollten darauf achten, dass hier ein neuer Begriff eingeführt wird und zukünftig zwischen Finanzinstrument und Finanzprodukt unterschieden werden muss.

Nachhaltigkeitsrisiko (Art 1 Z 22 Disclosure-VO)

ein Ereignis oder eine Bedingung in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung, dessen beziehungsweise deren Eintreten tatsächlich oder potenziell wesentliche negative Auswirkungen auf den Wert der Investition haben könnte;

Nachhaltigkeitsfaktoren (Art 1 Z 24 Disclosure-VO)

Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.

Welche weitreichenden Offenlegungspflichten auf die Adressaten der Disclosure-Verordnung zukommen, lesen Sie im folgenden Beitrag „Disclosure-Verordnung: Was muss wie veröffentlicht werden?

Banner_Andreas_Dolezal_Anmeldung_Newsletter_nachhaltig

Lesen Sie zum Thema Green Finance auch diese Beiträge:

Green Finance: Der europäische Grüne Deal

Kommentar: Wie glaubwürdig ist der europäische Green Deal?

Kommentar: So rechnet sich die EU den Klimaschutz grün