
ESMA möchte die EU-Kapitalmärkte stärken
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA hat ein Positionspapier zum Thema „Aufbau effizienterer und attraktiverer Kapitalmärkte in der EU“ veröffentlicht. Das Papier enthält 20 Empfehlungen zur Stärkung der EU-Kapitalmärkte unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der europäischen Bürger und Unternehmen sowie des Regulierungs- und Aufsichtsrahmens der EU.
Zu viel Geld auf Sparbüchern
„Es müssen Schritte unternommen werden, um sicherzustellen, dass die Kapitalmärkte ihre Rolle bei der Deckung des Finanzierungsbedarfs in Europa spielen können.“, sagt Verena Ross, Vorsitzende der ESMA. Denn traditionell verlassen sich EU-Haushalte beim Sichern ihrer Ersparnisse auf Bankeinlagen, auch wenn deren Wert im Laufe der Zeit abnehmen kann. Von 2015 bis 2021 hielten EU-Haushalte durchschnittlich 32 % ihrer Finanzanlagen in Bargeld und Einlagen, in den USA nur 13 %. Schätzungen gehen davon aus, dass eine 5-prozentige Umschichtung der Ersparnisse privater Haushalte von Einlagen in den Kapitalmarkt 1.800 Mrd. Euro freisetzen könnte, um Wirtschaftswachstum und Innovation zu unterstützen.
Fokus Unternehmen & Regulierung
Nachhaltige Finanzierungsmöglichkeiten sind entscheidend für Wachstum und Innovation in der EU, insbesondere für KMU, schreibt die ESMA. Daher sollen ein Ökosystem für Aktiengesellschaften entwickelt und die europäischen Märkte gefördert werden. Die EU-Kapitalmärkte sollen flexibel sein, um auf die sich verändernden Bedürfnisse reagieren zu können. Der EU-Rechtsrahmen soll modernisiert und Aufsichtstätigkeiten in der EU vereinheitlicht werden.
Fokus Bürger & Investmentprodukte
Um eine stärkere Anlagekultur und mehr Vertrauen zu schaffen, müssen laut ESMA die Bedingungen stimmen und die Bürger müssen von den Vorteilen ihrer Teilnahme an den Kapitalmärkten überzeugt sein. Dies erfordere eine geeignete Palette unkomplizierter Anlageprodukte, die einfach, leicht zugänglich und kostengünstig sind, mit unabhängiger Beratung einhergehen und angemessenen Anlegerschutz sicherstellen. Bessere finanzielle Bildung könne dazu beitragen, Investitionen in ungeeignete oder spekulative Produkte wie Kryptowährungen zu verhindern.
Vier konkrete Maßnahmen
Die EU-Kommission möge die Idee prüfen, ein freiwilliges Label für „einfache“ Anlageprodukte, wie bestimmte grundlegende Publikumsfonds sowie geeignete Aktien und Anleihen, zu schaffen. Die Produkte könnten anhand einer Reihe gemeinsamer Merkmale in Bezug auf Komplexität und Kosteneffizienz ausgewählt werden.

Ebenfalls angedacht ist die Schaffung einer einfachen Beratungskategorie für grundlegende Anlageprodukte. Diese Beratung könnte auf einer standardisierten Eignungsbeurteilung und weniger strengen Berichtspflichten basieren, wodurch die Compliance-Kosten für Unternehmen gesenkt würden. Natürlich hat die ESMA auch die Senkung der Beratungskosten für Anleger im Auge.
Digitale Lösungen sollen den Zugang zu den Kapitalmärkten fördern, von interaktiven Anlageplattformen bis hin zu personalisierter Finanzberatung und Bildungsinhalten. Schließlich sollen die Mitgliedstaaten die langfristigen Spartrends und die Angemessenheit ihrer Rentensysteme im Lichte der sich wandelnden demografischen Entwicklung bewerten. Konkret spricht die ESMA das Drei-Säulen-Rentenmodells an. Die EU-Kommission auch möge prüfen, ob ein wiederbelebtes paneuropäisches privates Rentenprodukt (PEPP, eine veritable „Anlageprodukt-Totgeburt“ der EU-Politik) Beiträge leisten kann.
Dieser Beitrag ist erstmals im Börsen-Kurier Nr. 25 vom 20. Juni 2024 erschienen.
