Disclusure-Verordnung: Offenlegungspflichten kommen mit Verspätung

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Die euorpäische Finanzwirtschaft soll einen verstärkten Beitrag zum Erreichen der Pariser Klimaziele leisten. Ein Kernelement des Europäischen grünen Deals ist die Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor („Disclosure-Verordnung“). Sie legt harmonisierte Vorschriften für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater hinsichtlich Transparenz beim Einbeziehen von Nachhaltigkeitsrisiken und dem Berücksichtigen nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen fest. Augenscheinlich erkennt die EU-Kommission, dass der vorgesehene Zeitplan unmöglich einzuhalten ist.

Insbesondere den Asset Managern sowie der Fondsindustrie bereiten die kommenden Regelungen Kopfschmerzen. Denn die Bestimmungen zum Offenlegen von Nachhaltigkeitsaspekten, den oft zitierten ESG-Kriterien, müssen laut Disclosure-Verordnung bereits ab 10. März 2021 angewendet werden.

EU-Aufsichtbehörden sind (zu) spät dran

Die Disclusure-Verordnung, die grundsätzlich seit 29. Dezember 2019 in Kraft ist, legt unter anderem fest, dass die Europäischen Aufsichtsbehörden der EU-Kommission bis zum 30. Dezember 2020 Entwürfe der technischen Regulierungsstandards übermitteln müssen. Diese Standards sollen beispielsweise Inhalt, Methoden und Darstellung von „nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen“ auf Unternehmensebene festlegen. Dabei geht es um nachteilige Auswirkungen auf das Klima und andere umweltbezogene Aspekte (Artikel 4 Absatz 6) sowie in Hinsicht auf Soziales und Beschäftigung, Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption und Bestechung (Artikel 4 Absatz 7).

Ohne diese technischen Regulierungsstandards wissen unter anderem Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Fondsgesellschaften und Portfolioverwalter nicht, wie sie die geforderten Informationen darstellen und veröffentlichen müssen. Angesichts der Tatsache, dass es für diese Standards bis heute nicht einmal Entwürfe gibt, verdichten sich die Anzeichen dafür, dass die Europäischen Aufsichtsbehörden die Standards nicht fristgerecht bis 30. Dezember 2020 übermitteln können.

Im Raum steht nun als Termin der 31. Januar 2021. Dies würde den betroffenen Finanzmarktteilnehmern aber nur gut fünf Wochen Zeit geben, um beispielsweise die Dokumente für tausende Investmentfonds anzupassen. Die Finanzbranche hätte also mit extremen Termindruck die Versäumnisse der Europäischen Aufsichtsbehörden auszubaden.

„Verschiebung“ bis Anfang 2022

Die Disclosure-Verordnung soll wie vorgesehen ab 10. März 2021 gelten. Geplant ist Berichten zufolge aber, dass die technischen Regulierungsstandards erst zu einem späteren Zeitpunkt angewendet werden müssen. Von Anfang 2022 ist die Rede. Einmal mehr eine klassische europäische Lösung nach dem Motto „Hauptsache auf dem Papier ist alles super“.

Sollten die Europäischen Aufsichtsbehörden also tatsächlich mit nur einem Monat Verspätung Ende Januar 2021 die Standards übermitteln, bliebe den betroffenen Finanzmarktteilnehmern ein knappes Jahr für die Umsetzung. Ob es tatsächlich dazu kommt, wird sich zeigen.

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