Kommt das endgültige Aus für Bargeld?

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In schöner Regelmäßigkeit sinniert die europäische Politik über das Abschaffen des Bargeldes. Des EURO-Bargeldes, wohlgemerkt, über andere Währungen kann die EU ja nicht bestimmen. Wird das EURO-Bargeld jetzt tatsächlich abgeschafft? Wozu würde das führen? Welchen tieferen Sinn hätte das? Ein paar Gedanken dazu aus Sicht eines Konsumenten und Experten für Geldwäsche-Prävention.

Am 20. Juli hat die EU-Kommission ihre Pläne zur 6. Geldwäsche-Richtlinie veröffentlicht. Wie erwartet beinhaltet das Paket von Gesetzesentwürfen unter anderem eine generelle Obergrenze für Bargeld-Zahlungen von 10.000 Euro. Laut EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness soll das der „Big Bang“ gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sein. Da ist wohl die Hoffnung die Mutter des Gedankens.

Bargeldobergrenzen sind in der EU schon weitverbreitet

Nach wie vor keinerlei gesetzliche Obergrenze für Zahlungen in bar haben unter anderem Deutschland, Österreich, Irland, Malta und Luxemburg. Insbesondere Deutschland und Österreich sind weiterhin klare Gegner einer allgemeinen Bargeldobergrenze von 10.000 Euro. In einigen andern EU-Mitgliedstaaten gibt es solche Obergrenzen bereits – und die Grenzen liegen deutlich unter 10.000 Euro, wie zum Beispiel:

  • Belgien: bis 3.000 Euro (Anhebung auf 7.500 geplant)
  • Frankreich: bis 1.000 Euro
  • Griechenland: bis 500 Euro
  • Italien: bis 2.999,99 (ab 3.000 verboten)
  • Spanien: bis 2.500 Euro (für Inländer)

Für alle EU-Mitgliedstaaten gelten jedoch die Bestimmungen der vorhandenen Geldwäsche-Richtlinien, dass nämlich bei Transaktionen in bar von über 10.000 Euro der Kunde identifiziert werden muss. Beträge über 10.000 Euro anonym zu begleichen, geht also in der gesamten Europäischen Union nicht mehr. Genauer gesagt: sollte nicht mehr gehen.

Die Praxis zeigt – und das erkennt auch die EU-Kommission –, dass nicht alle zur Geldwäsche-Prävention verpflichteten Unternehmen die Pflicht zum Identifizieren des Kunden erfüllen. Daran wird auch eine generelle Bargeldobergrenze nichts ändern. Zumal im Zuge der generellen Bargeldobergrenze von 10.000 Euro Händler bzw. Handelsgewerbetreibende (außer jene, die mit Edelmetallen und Edelsteinen handeln) vollkommen von der Pflicht zur Geldwäsche-Prävention befreit werden sollen.

Bargeld ist nach wie vor sehr beliebt

Erst jüngst hat das Bundesministerium für Finanzen eine Studie (Einstellung zum Bargeld, UNIQUE research) veröffentlicht, die besagt, dass sich Bargeld- und Kartenzahlungen etwa die Waage halten (38 Prozent eher mit Bargeld, 40 Prozent eher mit Karte, 22 Prozent annähernd gleich oft mit Bargeld und Karte). Die überwiegende Mehrheit von 87 Prozent der Österreicher spricht sich für das Erhalten von Bargeld aus, noch höher ist der Prozentsatz unter der Generation 60+. Generell werden Bargeldobergrenzen eher skeptisch, die Idee des Digitalen Euro mehrheitlich negativ gesehen.

Und selbst wenn ein guter Teil der inländischen Barzahlungen mit Geld, das man in der schwarzen Nacht nicht sieht, bezahlt wird, steckt darin ein nicht ganz unwesentlicher wirtschaftlicher Nutzen. Denn unversteuertes Geld – das wir brave Steuerzahler natürlich nur aus Erzählungen kennen – hat die wichtige Eigenschaft, dass es sofort wieder ausgegeben wird, sprich zurück in die Wirtschaft fließt. Ein paar Prozentpunkte des österreichischen Bruttoinlandsproduktes resultieren genau aus diesen Geldbewegungen, habe ich einmal gelesen (allerdings finde ich die Quelle nicht mehr, bitte um Nachsicht!).

Private Barzahlungen sollen ausgenommen werden

Als Experte für Geldwäsche-Prävention ist mir selbstverständlich klar, dass Abgabenverkürzung bzw. Steuerhinterziehung eine relevante Vortat zur Geldwäsche ist. Ich muss Sie also darauf hinweisen, dass Sie sich möglicherweise strafbar machen und in Teufels Küche bringen, wenn Sie Gelder nicht korrekt versteuern. Aber seien wir ehrlich: auch die „247. Geldwäsche-Richtlinie“ der EU wird Schwarzgeld nicht gänzlich aus dem Alltag eliminieren.

Buch_Geldwaesche_ist_noch_immer_kein_KavaliersdeliktZumal die Pläne der EU-Kommission vorsehen, dass Zahlungen von privat an privat, also beispielsweise der private Verkauf eines gebrauchten Autos an eine Privatperson, nicht von der Bargeldobergrenze betroffen sind. Sie können Ihrem Nachbarn also weiterhin sein altes Auto privat abkaufen und auch den Kaufpreis über 10.000 Euro bar bezahlen. Im Gesetzesentwurf heißt es dazu: Die genannte Obergrenze gilt nicht für Zahlungen zwischen natürlichen Personen, die nicht im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit handeln. By the way … die weitverbreitete „Nachbarschaftshilfe“, vulgo der Pfusch, findet auch von privat an privat statt. Hier plant die EU ein zwar wirtschaftliche relevantes, aber im Sinne der Geldwäsche-Prävention nicht ganz schlüssiges Hintertürchen offenzulassen. Aber vielleicht begründet sich das tatsächlich durch den unverzichtbaren Anteil am BIP der Mitgliedstaaten.

Trägt Ihr Nachbar den in bar bezahlten Verkaufserlös von zum Beispiel 20.000 Euro dann auf die Bank, weil er diesen Betrag bar auf sein Girokonto einzahlen möchte, muss er sich allerdings darüber im Klaren sein, dass die Bank diese Einzahlung melden muss. Banken dürfen nämlich weiterhin Zahlungen und Einlagen in bar von mehr als 10.000 Euro durchführen, sollen in diesen Fällen aber – unabhängig davon, ob ein Verdacht auf Geldwäsche besteht, oder nicht – eine Meldung an die Geldwäschemeldestelle abgeben. Dort wird, wenn das tatsächlich so kommt, wohl der Posteingang überquellen vor lauter Bargeld-Meldungen.

Experiment bargeldlose Gesellschaft

Schweden hatte einmal den Plan, bis zum Jahr 2030 gänzlich ohne Bargeld auszukommen. Schon im Jahr 2019 wurden achtzig Prozent aller Transaktionen elektronisch abgewickelt. Manche Schweden ließen sich einen kleinen Chip unter die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger implantieren. Bezahlen funktionierte dann im wahrsten Sinne des Wortes durch Hand auflegen.

Es zeigte sich jedoch, dass die Bevölkerung, insbesondere junge Menschen, die den Umgang mit Geld erst lernen müssen, vollkommen das Gefühl für Geld und den Überblick über die eigenen Finanzen verloren. Wie teuer ist das? Wie viel Geld habe ich noch am Konto? Wie viel kann ich mir diesen Monat noch leisten? Überdurchschnittlich viele Schweden schlitterten sukzessive in die Schuldenfalle. Denn das elektronische Bezahlen funktioniert sehr lange auch mit einem fetten Minus am Konto. Sind aber in der Geldbörse keine Scheine mehr drin, ist Schluss mit dem Einkaufen.

Bargeld als Krisenwährung unverzichtbar

Stellen Sie sich nur einmal vor, Sie machen Ihre üblichen Wochenend-Einkäufe im Supermarkt und schieben den vollen Einkaufswagen zur Kasse. Und dann kommt ein Stromausfall. So unrealistisch ist das leider nicht. Angesichts des zunehmenden „Wackelstroms“ (Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind oder Sonne) ist die Frage nicht mehr, ob wir vor einem großflächigen Blackout stehen, sondern nur mehr wann. Wie bezahlen Sie Ihre Einkäufe, Waren und Dienstleistungen, wenn während eines Blackouts – vielleicht tagelang – keine elektronischen Zahlungen möglich sind? Oder Geldausgabeautomaten mangels Stroms kein Bargeld ausgeben?

Sogar die schwedische Regierungsorganisation Swedish Civil Contingencies Agency, hat – trotz allen Bestrebungen zum bargeldlosen Zahlungsverkehr – in der Broschüre „IF CRISIS OR WAR COMES“ darauf hinweisen müssen, dass in Krisenfällen Kreditkarten und Geldausgabeautomaten nicht funktionieren könnten. Daher sollte die Zivilbevölkerung einen Vorrat an „cash in small denominations“ anlegen.

Ohne Bargeld keine Geldwäsche mehr?

Kein professioneller Geldwäscher und kein Terrorismusfinanzierer fürchtet sich ernsthaft vor dem Abschaffen des Euro-Bargeldes. Wirklich große, internationale Geldwäsche-Straftaten – also jene Fälle, bei denen es um Millionen bis Milliarden Euro geht – finden ohnehin auf elektronischem Weg statt. Oder denkt die EU-Kommission tatsächlich, dass jemand zehn Millionen Euro, die in kleinen 50-Euro-Scheinen gut 180 Kilogramm wiegen, im Koffer transportiert?

Bild_Buch_Andreas_Dolezal_Wohlfuel-Oase_Homeoffice2In elektronische Zahlungen sind stets Banken oder Zahlungsdienstleister involviert, die auch auf internationaler Ebene gesetzlich zur Geldwäsche-Prävention verpflichtet sind, und daher sämtliche Transaktionen prüfen müssen. Dabei sprechen wir von hunderten Millionen Transaktionen pro Tag auf der Welt. Das ist schlichtweg unmöglich, manuell sowieso, aber auch automatisch (weil ja im Grunde jede automatisch erkannte verdächtige Transaktion aufwendig manuell geprüft werden müsste). Von den begrenzten Kapazitäten der Geldwäschemeldestellen und Strafverfolgungsbehörden einmal ganz angesehen. Also verhindern auch elektronische Transaktionen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nicht.

Wie viele Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsfälle verhindert das Abschaffen des Euro-Bargeldes, wenn es weiterhin Schweizer Franken (insbesondere den beliebten 1.000-Franken-Schein), britische Pfund, US-amerikanische Dollar und dutzende weitere große Währungen in bar gibt? International jedenfalls keinen einzigen. Auch das Hawala-System funktioniert mit jeder Währung problemlos.

Ersatzwährung wäre schnell gefunden

Selbst wenn es auf der ganzen Welt kein Bargeld mehr gäbe, würden Kriminelle sehr schnell eine „Ersatz-Währung“ finden, wie zum Beispiel Goldmünzen oder -barren bzw. andere Edelmetalle oder Edelsteine wie Diamanten. Ganz abgesehen davon, dass sich Kryptowährungen wie Bitcoin bei Kriminellen auf der ganzen Welt großer Beliebtheit erfreuen. Denken Sie nur an die Berichte über erfolgreiche Cyber-Attacken mittels Erpressungssoftware, die Lösegeld zumeist in Bitcoins fordern.

Auch Konsumenten würden rasch eine Ersatz-Währung für den Alltag finden. Das hat sich beispielsweise nach dem Ende des zweiten Weltkrieges gezeigt. Im Schleichhandel der Nachkriegsjahre waren Zigaretten und Alkohol in kleinen Gebinden beliebte Tauschwaren. Die Vermutung liegt nahe, dass sich mangels Bargeldes als „Lohn“ für die typisch österreichische Nachbarschaftshilfe ebenfalls Ersatz-Währungen finden würden. In den USA wurden Zeitungsberichten zufolge sogar schon Hygieneartikel als Alternative zum Bargeld verwendet. Und DiePresse.com berichtete vor Jahren, dass in Kolumbien fallweise Kokain als Währung dient.

Wird es ein Europa ohne Bargeld geben?

Kurz und bündig: nein. Und das liegt nicht daran, dass sich unser heimischer Finanzminister für den Erhalt von Bargeld einsetzt (denn EU-Recht hätte Vorrang vor nationalen Vorlieben bzw. Gesetzen). Sondern schlichtweg daran, dass Bargeld im Alltag viele Vorteile hat und daher unverzichtbar ist. Generelle Bargeldobergrenzen könnte es allerdings in absehbarer Zeit europaweit geben.


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