BaFin stellt Richtlinie für nachhaltige Investmentfonds zurück

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Mindestanteile für nachhaltige Investitionen im Fondsvermögen sind vorerst vom Tisch.


Im August 2021 hat die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin eine Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen zur Konsultation gestellt. Investmentvermögen sollten zu mindestens 75 Prozent in nachhaltige Vermögensgegenstände investieren müssen, um sich „nachhaltig“ zu nennen. Anfang Mai 2022 machte die BaFin jedoch einen Rückzieher.

In der Offenlegungsverordnung definiert die EU-Kommission, was eine nachhaltige Investition ist. Dazu zählen, verkürzt gesagt, alle Investitionen in wirtschaftliche Tätigkeiten, die einen Beitrag zum Erreichen der oft zitierten ESG-Ziele (Umwelt, Soziales/Gesellschaft, gute Unternehmensführung) leisten. Die Taxonomie legt ergänzend fest, wie die Umweltziele der Europäischen Union lauten. Soziale bzw. gesellschaftliche Ziele liegen noch nicht vor, ebenso wenig wie Ziele hinsichtlich guter Unternehmensführung.

Finanzprodukte wie Investmentfonds nehmen für sich das Attribut „nachhaltig“ in Anspruch, wenn die im Fondsvermögen getätigten Investitionen in Aktien oder Anleihen von Unternehmen fließen, deren wirtschaftliche Tätigkeiten zum Erreichen der ESG-Ziele beitragen. Solche Finanzprodukte tragen oft den Hinweis „Artikel 8“ oder „Artikel 9“ gemäß Offenlegungsverordnung.

Schon 1 % kann Fonds zum nachhaltigen Investment machen

Was aber weder Offenlegungsverordnung noch Taxonomie festlegen, ist ein Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen, den ein Finanzprodukt erreichen muss, um sich „nachhaltig“ im strengen Sinne der EU-Kriterien nennen zu dürfen. Grundsätzlich reicht schon ein einziges Prozentpünktchen an nachhaltigen Investitionen, um den gesetzlichen Bestimmungen gerecht zu werden (die Betrachtung aus Sicht des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb lassen wir hier einmal außer Acht).

Tatsächlich enthalten nachhaltige Finanzprodukte oft nur einen eher geringen Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen. Zwanzig Prozent bis maximal fünfzig Prozent sind übliche Größenordnungen. Zwar müssen Finanzprodukte auf diesen Umstand hinweisen, wirklich transparent ausgewiesen werden die Mindestanteile an nachhaltigen Investitionen jedoch erst ab 1. Januar 2023 – falls die dazu notwenigen technischen Regulierungsstandards der EU nicht ein viertes Mal verschoben werden.

Vermeidung von Greenwashing

Nach außen in der Werbung nachhaltig, innen aber nur wenige nachhaltige Investitionen, genau dieser Vorgehensweise von Produktanbietern wollte die deutsche BaFin mit der geplanten Richtlinie einen Riegel vorschieben. Der ursprüngliche Plan der BaFin sah angeblich sogar einen Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen von 90 Prozent vor. Dagegen liefen Fondsanbieter verständlicher Weise Sturm, denn so ein hoher Prozentsatz ist in der Praxis unerreichbar. Unter anderem deshalb, weil Investmentvermögen stets auch einen (fünf- bis zehnprozentigen) Cash-Anteil enthalten – und Barbestände nicht als nachhaltige Investition gelten. Fonds hätten also, unabhängig von der Marktphase, stets zur Gänze nachhaltig investiert sein müssen, um diese Bedingung zu erfüllen, was praktisch weder möglich noch für Anleger sinnvoll ist.

In den Konsultationsentwurf haben es dann 75 Prozent Mindestanteil geschafft. Immer noch ein sehr hoher Prozentsatz, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass neben Cash auch derivative Absicherungsinstrumente nicht zur Quote der nachhaltigen Investitionen zählen. Auf der Jahrespressekonferenz am 3. Mai 2022 machte BaFin-Präsident Mark Branson nun einen Rückzieher. „Für eine dauerhafte Regulierung ist das derzeitige Umfeld nicht ausreichend stabil.“, sagte der BaFin-Präsident und begründete dies mit der dynamischen regulatorischen, energie- und geopolitischen Lage.


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Das Aufatmen der deutschen Fondsanbieter währte aber nur sehr kurz. Um Fondsanleger vor Greenwashing zu schützen, werde die BaFin jene Grundsätze, die sie zur Konsultation gestellt hat, in der Praxis dennoch anwenden, verkündete BaFin-Präsident Branson. Neu aufgelegte nachhaltige Fonds müssen also trotzdem mindestens 75 Prozent in nachhaltige Anlagen investieren – ohne europäische Rechtsgrundlage sowie ohne geltende Richtlinie der deutschen Aufsichtsbehörde.

Es wäre nicht verwunderlich, wenn Fondsanbieter bei der Auflage neuer „grüner“ Investmentfonds zukünftig einen Bogen um Europas Wirtschaftsnation Nr. 1 machen. Warum sollen international tätige Fondsanbieter ihre nachhaltigen Investmentfonds weiterhin in Deutschland auflegen und sich der Willkür der deutschen Aufsichtsbehörde aussetzen, wenn es 26 andere EU-Mitgliedstaaten gibt, die solche Prüfungspraktiken ohne Rechtsgrundlage nicht haben? Zumal sie damit nicht den geringsten Nachteil hätten.

Jeder in einem EU-Land aufgelegter Investment- bzw. Publikumsfonds kann mittels Passporting in jedem anderen EU-Land zum öffentlichen Angebot angemeldet werden. Der europaweit einheitlichen Fondsgesetzgebung (namens UCITS) sei Dank. Die einzige Konsequenz wäre, dass diese Fonds eine ISIN hätten, die nicht mehr mit „DE“ beginnt, sondern beispielsweise mit „LU“ für Luxemburg oder „AT“ für Österreich.

Wie groß der Bärendienst ist, den die deutsche BaFin dem Fondsstandort Deutschland damit erweist, werden wir in naher Zukunft sehen.


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