
Warum „grüne Rosinen“?
Aus dem ursprünglich nur 21-seitigen Grünen Deal ist mit den Jahren ein Regelwerk mit vielen, vielen tausend Seiten entstanden. Große und kleine, private und staatliche Organisationen haben derart viele ESG-Fragebögen entworfen, dass Unternehmen den Überblick verloren haben. Dutzende, wenn nicht sogar hunderte Anbieter preisen ihre ESG-Tools, Datenmanagementsysteme usw. als das einzig wahre und hilfreiche an. Nachhaltige Maßnahmen füllen Bücher (ich weiß wovon ich spreche, auch ich schreibe solche Bücher). Der nachhaltige Kuchen ist riesengroß.

Für die effiziente und wirksame Nachhaltigkeit müssen sich Unternehmen jene Maßnahmen und Vorteile – die grünen Rosinen – heraussuchen, die für sie machbar, realistisch, zum Geschäftsmodell passend, leistbar (im Sinne von Zeit, Geld und Personalressourcen) und dennoch wirksam sind. Und, glauben Sie mir, die gibt es. Auch für klein(st)e Unternehmen wie EPUs.
Ja, ich weiß, bei Rosinen scheiden sich die Geister. Die einen lieben sie, die anderen mögen sie gar nicht (zu dieser Gruppe gehöre ich). Genauso ist es oftmals bei der Nachhaltigkeit.

Die einen meinen, dass Nachhaltigkeit ein unverzichtbares Muss ist, ohne dem die Wirtschaft, die Menschheit, die Erde, die Zukunft usw. zugrunde gehen wird. Die anderen waren nie Fans von Nachhaltigkeit oder wurden durch zu viel Regulatorik zu Gegnern. Wie so oft ist klassisches Schwarz-Weiß-Denken aber weder hilfreich noch förderlich. Für nichts und niemanden.
Großer nachhaltiger Kuchen
Niemand erkennt von außen, wie viele Rosinen in einem Kuchen stecken. Auch das Thema Nachhaltigkeit ist mittlerweile derart riesig, dass niemand sämtliche individuelle Vorteile, die ein Unternehmen für sich nutzen kann und sollte, auf den ersten oberflächlichen Blick erkennt. Man muss sozusagen in den nachhaltigen Kuchen eintauchen bzw. ihn anschneiden, um die saftigsten Rosinen zu finden. In ähnlicher Weise müssen Unternehmen die viele Facetten von Nachhaltigkeit durchforsten, um ihr machbares und angemessenes Maß an nachhaltiger Verantwortung zu finden.
Nachhaltigkeit ist nur ein Aspekt von Unternehmen
Rosinen sind eine Zutat, aber nicht der Hauptbestandteil eines Kuchens. Erst mit einer ganzen Liste an Zutaten, die sorgsam und mit Plan (Rezept) gemischt werden, ersteht der fertige Teig, der bei richtiger Temperatur und Backzeit einen schmackhaften Kuchen ergibt. Ebenso ist Nachhaltigkeit nicht der Hauptzweck eines bzw. Ihres Unternehmens.

Wir sind in erster Linie Händler, Handwerker, Dienstleister und vieles mehr. Nachhaltigkeit steht in keinem unserer Gewerbewortlaute, niemand hat sein oder ihr Unternehmen gegründet, um das Weltklima zu retten (es sei denn, Sie sind eine grüne NGO). Nachhaltigkeit ist „nur“ ein Teil unseres geschäftlichen Alltags und Erfolgs sowie unserer Verantwortung.
Bevor wir uns die saftigsten Rosinen aus dem nachhaltigen Kuchen herauspicken können, muss der Kuchen erst einmal fertig gebacken am Tisch stehen. Umgelegt auf uns Unternehmerinnen und Unternehmer: Bevor wir uns mehr oder weniger intensiv dem Thema Nachhaltigkeit widmen, müssen wir für unsere betriebswirtschaftliche Gesundheit sorgen. Das ist das Nachhaltigste, dass wir für uns, die Gesellschaft sowie Klima und Umwelt tun können – sozusagen die saftigste aller grünen Rosinen. Kein Kuchen, keine Rosinen. Kein gesundes Unternehmen, keine nachhaltigen Aktivitäten.
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