Wird die EU zum „Disneyland Europa“?

Vertreibt die EU-Bürokratie Wirtschaft, Kapital und Arbeitsplätze?

Die europäische Wirtschaft wird seit Jahren von ausufernder Bürokratie erdrückt und wandert zunehmend ins EU-Ausland ab. Weniger strenge Umweltauflagen, verlockende Subventionen sowie erheblich geringere Energiekosten beschleunigen den Trend. Wird der Wirtschafts- und Industriegigant Europa, allen voran Deutschland, zum Disneyland der Welt?

Schon seit Jahrzehnten verliert Europa produzierende Industrie aller Sparten. Manche schrumpfen, wie etwa die Stahlindustrie, andere, wie die Textilindustrie, gibt es in der EU so gut wie gar nicht mehr. Im Schiffsbau und bei Solarpanelen haben die Asiaten und Chinesen die Führungsrolle übernommen. Smartphones und TV-Geräte aus europäischer Produktion sind Geschichte. Neuestes Beispiel: der Heiztechnikkonzern Viessmann plant seine Wärmepumpenproduktion um kolportierte 12 Milliarden US-Dollar in die USA zu verkaufen. Werden die neuen Eigentümer die Produktion in der teuren und überregulierten EU fortführen?

Waren früher günstige Produktionskosten der Hauptgrund für die Abwanderung, mindern heute überbordende Bürokratie, hohe Energiepreise und Steuern sowie ideologiegetriebene Wirtschaftspolitik die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen.

Erfreuliche grüne Statistik

In den vergangenen Jahrzehnten haben Unternehmen viel schmutzige, also emissionsträchtige Produktion aus der EU in ferne Länder verlagert. Insbesondere die grün gesinnte Politik freut das, denn so kann sich die EU rühmen, Wirtschaftswachstum und Treibhausgas-Emissionen erfolgreich entkoppelt zu haben (Decoupling). Seit 1990 ist der Treibhausgas-Ausstoß in der EU um 32 Prozent gesunken, das Bruttoinlandsprodukt gleichzeitig um 60 Prozent gestiegen.


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Freilich nur bei produktionsbezogener Berechnung, wenn also die Schadstoff-Emissionen jenen Ländern angerechnet werden, in denen sie bei der Produktion anfallen. Lasten wir das CO2 jenen Ländern an, in denen die produzierten Waren konsumiert werden (konsumbezogene Berechnung), sieht die Rechnung angesichts unseres europäischen Konsumhungers und unserer ausufernden Wegwerfgesellschaft ganz anders aus.


Parallel zum Abwandern großer Industriesparten hat es die EU verabsäumt, die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen für das Entstehen europäischer Gegengewichte zu Microsoft, Amazon, Samsung, Google und Open AI zu schaffen. Diese technischen Entwicklungen hat die verträumte EU-Politik verschlafen. Bis auf wenige Ausnahmen spielt Europa auf der großen Bühne der Hightech- und IT-Konzerne nur eine kleine Nebenrolle.

Neue Fluchtbewegung

In den vergangenen Monaten, insbesondere seit US-Präsident Joe Biden im August 2022 den Inflation Reduction Act vorgestellt hat, mehren sich Berichte über das Abwandern großen Industriebetriebe. Der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungskonzern Ernst & Young erkennt in einer Studie die Gefahr, dass Industrien wie die Stahl- oder Autobranche mit wesentlichen Investitionen in die USA gehen und ihre Zuliefernetzwerke mitziehen.

Der Chemiekonzern BASF, dessen jährlicher Energieverbrauch dem von Dänemark entspricht, will die Kosten in Europa so schnell wie möglich deutlich reduzieren. Geplante Investitionen von zehn Milliarden Euro tätigt BASF daher in China. Der Pharma- und Agrarkonzern Bayer, der im Jahr 2018 Monsanto übernommen hat, verlagert seinen Schwerpunkt in die USA und nach China.


Das Biotechnologieunternehmen Biontech – in der Corona-Pandemie einer unserer europäischen Leuchttürme – baut sein neues Krebsforschungszentrum außerhalb der EU in Großbritannien. Dreitausend Arbeitsplätze gehen zu Lasten des Datenschutzes, weil in der EU auf notwendige Gesundheitsdaten nicht zugegriffen werden kann.


Eine der wenigen Industrien, in deren Technologie wir Europäer noch Weltmarktführer sind, ist die Autoindustrie. Diese verlagert die Produktion vermehrt nach China und in die USA. Gleichzeitig gehen hunderttausende Arbeitsplätze verloren. VW hat circa 800 Millionen US-Dollar in ein Werk in Chattanooga (USA) investiert, BMW investiert in seine Werke in Mexiko. Von Batterieproduktionen für die klimarettenden Elektroautos ist bis heute in Europa wenig zu sehen, die meisten Batterien kommen – wie die erforderlichen Seltenen Erden – aus China.

Kapital folgt den Unternehmen

Große Industriekonzerne werden von unternehmensfreundlichen Förderprogrammen wie dem US-amerikanischen Inflation Reduction Act angelockt, auf den die EU-Politik seit Monaten eine wirksame Antwort vergeblich sucht.


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Dazu kommen, für Unternehmen und Investoren, unkalkulierbaren Risiken, die sich aus der unvollständigen grünen Regulatorik ergeben. Es weiß schlichtweg niemand, was noch alles kommt. Und was wir bisher wissen – Stichwort EU-Lieferkettengesetz – nährt die Gewissheit, dass die Bürokratie weiter ausufern wird.


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Solche Risiken berücksichtigen auch Investoren, die naturgemäß eher risikoavers sind und Investments mit mehr (Planungs-)Sicherheit in anderen Regionen der Welt bevorzugen. Zusätzlich zu Industrie, Zulieferbetrieben und Arbeitsplätzen verabschiedet sich also auch das Kapital aus der EU.


Was wird aus Europa?

Ohne emissions- und energieintensive Industrieproduktion wird die EU ihre hochgesteckten Klima- und Umweltziele zwar auch nicht erreichen, sich ihnen rein rechnerisch aber eher annähern. Nicht nur uns Europäern leistet die EU damit einen mehrfachen Bärendienst, sondern auch dem Weltklima.

Denn mit dem Verlagern von Produktionsstätten sparen wir keine einzige Tonne Treibhausgase ein, sondern verschieben Schadstoffemissionen lediglich in ferne Länder mit oft deutlich geringeren Umweltstandards. Im Grunde hält die EU damit an ihrer vielfach praktizierten Devise fest: Aus den Augen, aus dem Sinn.

Wenn uns die EU-Politik erfolgreich zum lebenden Beispiel für einen wirtschaftspolitisch und ideologisch zu Grunde gerichteten Kontinent macht, bleiben uns Europäern nur die Zutaten für den flächenmäßig größten Freizeitpark der Welt: Schneebedeckte Berge, artenreiche Wälder und kristallklare Seen, prachtvolle Schlösser, historische Denkmäler und pittoreske Innenstädte, beeindruckende Kunst und charmant-romantische Kultur, amüsante Folklore und nette Menschen. Willkommen im „Disneyland Europa“.


Dieser Beitrag ist erstmals im Nachrichtenmagazin risControl 03 – 2023 erschienen.


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