Wenn die Tiefkühl-Pizza ein Finanzprodukt wäre …

Dieser Vergleich erscheint zu abwegig? Nicht unbedingt. Beide Produkte richten sich an dieselbe Zielgruppe, an Endverbraucher. Beide werden mit bunten Hochglanzbildern beworben, was wirklich drinnen ist, steht aber nur im Kleingedruckten. Beide enthalten Zutaten, von denen die meisten Konsumenten keine Ahnung haben. Oder wissen sie was E250 oder OTC-Derivate sind? Beide sind auf ihre Art „gefährlich“. Verdorbene Lebensmittel kosten im Extremfall das Leben, Verlust bringende Veranlagungen die finanzielle Existenz. Und trotzdem warnt sie niemand vor der Tiefkühl-Pizza …

Noch eines haben beide Produktkategorien gemeinsam: Skandale. Die gibt es im Lebensmittelbereich ebenso wie in der Finanzbranche. Erinnern sie sich noch an den „Pferdefleisch-Skandal“? Der Aufschrei der Medien war enorm, die Konsumenten empörten sich über die Dreistigkeit der Hersteller. Politiker aller Farben und Länder versprachen sofort Gegenmaßnahmen und strengere Regeln. Und was ist bis heute passiert? Nichts. Vergeben und vergessen.

Genau hier stoßen wir auf einen wesentlichen Unterschied. Die Skandale der Finanzbranche – von Verlust bringenden Anlageprodukten bis hin zu Not verstaatlichten Pleitebanken – haben weit reichende Folgen. Für Produktanbieter und deren Verkäufer ebenso wie für Anleger. Denn die europäische Bürokratie beschäftigt sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Anlegerschutz. Bis hin zum gänzlichen Verbieten von Anlageprodukten reicht das Spektrum der Ideen. Hat jemals eine Behörde daran gedacht, Tielkühl-Pizza zu bieten?

Wenn sie ein Wertpapier kaufen, dann erleben sie hautnah, welche überbordenden Regeln es heutzutage zu ihrem Schutz gibt. Broschüren und Datenblätter, die schon fast mehr Rechts- und Warnhinweisen enthalten als Informationen zum Produkt. Seitenlange Risikoaufklärungen und Beratungsprotokolle sowie zentimeterdicke Verkaufsprospekte, die auf Grund ihrer rechtlichen Verbindlichkeit in Juristen-Deutsch verfasst sind. Beinahe standardmäßig der Hinweis auf den möglichen Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Ihr Berater muss ihnen all diese Dokumente zur Verfügung stellen und die Aufsichtsbehörden gehen tatsächlich davon aus, dass sie alles genau lesen, studieren und verstehen bevor sie ihr Geld investieren!

Augenscheinlich haben aber auch die Brüsseler Politiker erkannt, dass der eine oder andere Privatanleger mit der Flut an Informationen überfordert ist. Folglich soll es zukünftig für alle Anlageprodukte eine Art „Beipackzettel“ geben, der die wesentlichen Produktmerkmale wie Funktionsweise, Risiken und Kosten zusammenfasst. Dieses maximal dreiseitige Dokument, das es für Investmentfonds in Form der Wesentlichen Anlegerinformationen, kurz KID, bereits gibt und in Form von PRIPS für alle Anlageprodukte geben wird, muss in einfachen und für die Zielgruppe verständlichen Worten formuliert sein. Es soll auch den Vergleich mit anderen Finanzinstrumenten möglichst einfach machen.

Bei allem Respekt für das gut gemeinte Engagement der Aufsichtsbehörden: Wovor schützen den durchschnittlichen Privatanleger Hinweise wie „Sie sind dabei, ein Produkt zu kaufen, das nicht einfach ist und das schwer verständlich sein kann.“? Ebenso könnte es verpflichtend werden, auf der Verpackung der Tielkühl-Pizza die Warnung anzubringen „Sie sind dabei, ein Produkt zu kaufen, das nicht kalorienarm ist und schwer verdaulich sein kann.“. Würden sie deshalb zum Knäckebrot greifen?

Die Tielkühl-Pizza ist – zu ihrem Glück – kein Finanzprodukt. Daher dürfen sie weiterhin ganz ohne Ernährungsberatung, Offenlegung ihrer Essgewohnheiten und der verständlichen Erklärung der Inhaltsstoffe wie E250 und E300 zugreifen. Ihr Geld erscheint den Aufsichtsbehörden schützenswert, ihr Leben augenscheinlich nicht. Gibt ihnen das nicht zu denken?