Warum sind nachhaltige Investitionen nicht einfach steuerfrei, statt überreguliert?

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Seit 10. März 2021 ist nachhaltig nicht mehr gleich nachhaltig (siehe mein Beitrag „Sustainable Finance: Nachhaltig ist nicht mehr gleich nachhaltig“). Mit umfassenden Regelwerken zwängt die EU-Kommission den Begriff „nachhaltige Investition“ in ein strenges und bürokratische Korsett. Ziel ist es, nachhaltige Investitionen zu fördern und zu erleichtern. Dabei könnte es auch einfach sein statt EU-typisch kompliziert.

In Mitteilungen und Verordnungen erklärt die Europäische Kommission schon seit Jahren wortreich auf tausenden Seiten, wie wichtig Klima- und Umweltschutz sind. Auch die Finanzindustrie soll aktiv zum Erreichen der Pariser Klimaziele beitragen und dafür sorgen, dass Anlagegelder vermehrt in wirtschaftlichen Tätigkeiten fließen, die als nachhaltig definiert sind. Einen unvollständigen Überblick von Mitteilungen, Beschlüssen und Verordnungen (die alleine schon 1.209 Seiten umfassen) finden Sie am Ende dieses Beitrages.

Gut gemeint, ist nicht gut gemacht

Die seit 10. März 2021 zur Anwendung kommenden Verordnungen, wie beispielsweise die Disclosure-Verordnung, verlangen von Finanzmarktteilnehmern (Produktherstellern) und Finanzberatern (z.B. Anlage- und Versicherungsberatern) das Erfüllen umfangreicher Offenlegungs- und Berichtspflichten. Produkthersteller müssen darüber hinaus ihre in den Finanzprodukten getätigten Investitionen nach einer Vielzahl von Kriterien prüfen und bewerten.

Zwei von der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA veröffentlichte Beispiele für vorvertragliche und periodische Produktinformationen erstrecken sich auf 52 bzw. 71 Seiten. Stellen Sie sich vor, Sie möchten drei, vier oder fünf verschiedene nachhaltig investierende Finanzprodukte kaufen. Dann wird es Ihnen an umfangreicher Abendlektüre nicht mangeln.

Die ausufernden EU-Regulierungen führen auch dazu, dass Produkthersteller und Finanzberater (insbesondere jene, die nicht ganze ESG-Abteilungen beschäftigen können) vielfach zur Möglichkeit greifen, sich „non-compliant“ zu erklären. Dass heißt, sie nehmen die in der Disclosure-Verordnung vorgesehene Möglichkeit in Anspruch, Nachhaltigkeitsfaktoren bei Investitionsentscheidungen bzw. in der Beratung nicht zu berücksichtigen. Insofern sind die überschießenden Regulierungen dann sogar kontraproduktiv.

Gibt es wirksamere Ideen, um nachhaltiges Investieren zu fördern?

Ja, natürlich gibt es die. Die einfachste und gleichzeitig wirklich zielführende Idee, um Finanzströme – quasi ganz von alleine, ohne viel Zutun – in nachhaltige Investitionen umzuleiten, wäre beispielsweise das steuerliche Bevorzugen von Erträgen aus nachhaltig investierenden Finanzprodukten. Weg mit 27,5 Prozent Kapitalertragssteuer auf realisierte Gewinne! Schlagartig würden nachhaltige investierende Finanzprodukte ganz oben auf der Liste von Anlegerinnen und Anlegern (und damit auch von Produktherstellern und Finanzberatern) stehen.

Ganz ähnlich funktioniert das doch auch bei Autos. Hybrid-Fahrzeuge, die auch nur ein paar wenige Kilometer elektrisch fahren können, sind in Österreich von der Normverbrauchsabgabe NoVA befreit und bieten Firmen sowie Firmenautobesitzern zusätzliche steuerliche Anreize (wie wenig ökologisch sinnvoll das ist, lassen wir hier einmal außer Acht). Und siehe da, plötzlich gehen NoVA-befreite und steuerlich bevorzugte KFZ wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln weg.

Warum kommt die Europäische Kommission nicht auf diese simple und naheliegende Idee? Als „Nebeneffekt“ wäre die ausgelöste Bürokratie – in den Brüsseler Glaspalästen ebenso wie in den Compliance-Abteilungen der Finanzindustrie – deutlich geringer, freie Ressourcen können viel sinnvoller (z.B. für nachhaltige Anlageberatung!) verwendet werden.

Der positive Effekt für Klima- und Umwelt, soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung wäre mit der steuerlichen Bevorzugung von nachhaltigen Investments wahrscheinlich um ein Vielfaches größer als mit noch mehr Bürokratie. Fast drängt sich mir die Frage auf, ob es der EU wirklich um den Klimaschutz geht …

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Im Folgenden ein paar Beispiele für Dokumente der Europäischen Union/Kommission bezüglich Umwelt- und Klimaschutz:

  • Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums (23 Seiten)
  • Saubere Luft für Europa (13 Seiten)
  • Ein klimaresilientes Europa aufbauen – die neue EU-Strategie für die Anpassung an den Klimawandel (29 Seiten)
  • Ein sauberer Planet für alle (30 Seiten)
  • Der europäische Grüne Deal (29 Seiten)
  • Beschluss 1386/2013/EU vom 20. November 2013 über ein allgemeines Umweltaktionsprogramm der Union für die Zeit bis 2020 „Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“ (200 Seiten)
  • Beschluss (EU) 2017/848 vom 17. Mai 2017 zur Festlegung der Kriterien und methodischen Standards für die Beschreibung eines guten Umweltzustands von Meeresgewässern und von Spezifikationen und standardisierten Verfahren für die Überwachung und Bewertung (32 Seiten)
  • Verordnung (EU) 2018/841 vom 30. Mai 2018 über die Einbeziehung der Emissionen und des Abbaus von Treibhausgasen aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft in den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 (25 Seiten)
  • Verordnung (EU) 2018/842 vom 30. Mai 2018 zur Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021 bis 2030 als Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris (17 Seiten)
  • Verordnung (EU) 2018/1999 vom 11. Dezember 2018 über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz (…) (77 Seiten)
  • Verordnung (EU) 2019/2089 vom 27. November 2019 (…) hinsichtlich EU-Referenzwerten für den klimabedingten Wandel, hinsichtlich auf das Übereinkommen von Paris abgestimmter EU- Referenzwerte sowie hinsichtlich nachhaltigkeitsbezogener Offenlegungen für Referenzwerte (27 Seiten)
  • Verordnung (EU) 2020/852 vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen, „Taxonomie-Verordnung“ (31 Seiten), in gezählten 70 Fußnoten wird auf weitere Empfehlungen, Richtlinien, Verordnungen usw. verwiesen
  • Verordnung (EU) 2019/2088 vom 27. November 2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (16 Seiten),
  • Taxonomie: Final report oft the Technical Expert Group on Sustainable Finance (67 Seiten)
  • Updated methodology & Updated Technical Screening Criteria, Technical Report: Technical Annex (593 Seiten)