Die 2. Finanzmarkt-Richtlinie der EU, kurz MiFID II, fordert von Portfolioverwaltern auch das Überwachen von gesetzlich definierten Verlustgrenzen. Wird so eine Verlustgrenze erreicht bzw. überschritten, muss der betreffende Kunde noch am selben Geschäftstag darüber informiert werden.
Artikel 62 der Delegierten Verordnung (DelVO) der EU 2017/565 besagt dazu, dass Portfolioverwalter ihren Kunden mitteilen, wenn der Gesamtwert des zu Beginn des jeweiligen Berichtszeitraums beurteilenden Portfolios um 10 % fällt, sowie anschließend bei jedem Wertverlust in 10 %-Schritten.
Wie sinnvoll ist eine gesetzliche Verlustschwelle von 10%?
In Deutschland ist das Überwachen von Verlustschwellen schon seit Jahren Pflicht. In der Vergangenheit konnte sich der Kunde – um dessen Vermögenswerte und gegebenenfalls Verluste es ja geht – mit seinem Portfolioverwalter eine angemessene Verlustgrenze individuell vereinbaren.
MiFID II setzt sich über die individuellen Wünsche und Anlagestrategien der Kunden hinweg, und legt eine einheitliche Verlustgrenze von 10% fest. Die Frage, ob 10% Verlust für eher konservative Portfolios viel zu viel sind, oder für spekulativ ausgerichtete Strategien eher zu wenig, stellt sich nicht mehr.
Auch minus 36% sind ohne Information möglich
Gemäß Artikel 62 bezieht sich die Information über das Erreichen der 10%igen Verlustgrenze stets auf den Beginn des jeweiligen Berichtszeitraumes. Die Crux daran ist, dass dieser Berichtszeitraum an anderer Stelle (Artikel 60 der DelVO) mit drei Monaten festgelegt ist (unter bestimmten Bedingungen sogar monatlich).
Erleidet das Wertpapier-Portfolio innerhalb eines Quartals einen Verlust von „nur“ 9%, muss der Kunde also nicht informiert werden. Der um diesen 9%igen Verlust reduzierte Portfoliowert stellt den Referenzwert für das nächstfolgende Quartal dar. Folgt ein weiterer Verlust von 9%, muss wieder keine Information an den Kunden erfolgen. Auf Buchstaben des Gesetzes kann sich also innerhalb eines Jahres ein Verlust von 36% ergeben ohne den Kunden informieren zu müssen.
Gut gedacht ist noch nicht gut gemacht
Selbstverständlich schaut kein Portfolioverwalter tatenlos zu wie Verluste die Vermögenswerte seiner Kunden reduzieren. Auch ohne gesetzliche Verpflichtung informiert er und passt die Portfolios entsprechend an. Und welchen Mehrwert die gesetzliche 10%-Verlustschwelle beim nächsten Schwarzen Schwan (einem dramatischen, unvorhergesehenen Ereignis an den Finanzmärkten) hat, bleibt fraglich.
Im Sinne des Anlegerschutzes ist die Idee von Verlustschwellen, über deren Erreichen der Kunde informiert werden muss, sehr gut. Um echten Nutzen und zusätzlichen Wert für Anlegerinnen und Anleger zu schaffen, müsste sich die Umsetzung jedoch mehr an der Praxis orientieren.
Haben Sie als Portfolioverwalter das Überwachen der Verlustschwellen wirksam umgesetzt? Wenn Sie Fragen haben, dann …
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