Bezahlen nachhaltig orientierte Anleger ihr „grünes“ Investment mit weniger Rendite?
„Grün“ investieren liegt seit Jahren im Trend. Die Mittelzuflüsse in nachhaltige Finanzprodukte zeigen, dass beim Geldanlegen das grüne Gewissen immer wichtiger wird. Studien sollen belegen, dass mit ESG-orientierten Investments sogar mehr Rendite erzielt wurde als mit nicht-nachhaltigen. Auch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA kommt (am 5. April 2022) zum Schluss: „ESG-Fonds brachten Anlegern im Jahr 2020 bessere Renditen.“
Anleger kennen den obligaten Warnhinweis auf Finanzprodukten: Wertentwicklungen der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf zukünftige Entwicklungen zu. Das gilt auch für Studien zur historischen Performance. Der Krieg in der Ukraine, hohe Inflationsraten, steigende Energiekosten, Chinas „No COVID“-Strategie und Lieferkettenprobleme rund um den Erdball verändern die Situation an den Kapitalmärkten massiv – und machen solche Studien zur Makulatur.
ESG heißt oft Tech-Sektor
Während nachhaltig orientierte Anleger, die beispielsweise in bahnbrechende Technologien und damit in den transitorischen Wandel investiert haben, derzeit Verluste erleiden, erzielen jene, die auf fossile Energiequellen wie Erdöl und Gas gesetzt haben, Gewinne. Einem zweistelligen Minus steht ein zweistelliges Plus gegenüber (MSCI Disruptive Technology Index vs. MSCI World Energy Index, 3M & 1Y).
Oftmals übersehen Anleger die Tatsache, dass klimafreundliche Aktienfonds und ETFs verstärkt im Wachstums- und Tech-Sektor investiert sind. Unternehmen wie Apple, Visa, Microsoft, Amazon und Alphabet sind unter nachhaltigen Gesichtspunkten besonders gefragt, weil sie im Vergleich zur „schmutzigen“ Old Economy weniger schädliche Treibhausgase emittieren. Mit ihrem geringeren CO2-Fußabdruck punkten sie beim Klimathema. Als Growth-Titel liefern sie in guten Marktphasen das größere Plus (daher auch Gewinner der Studien), verlieren aber in Korrekturphasen mehr. Wie gewonnen, so zerronnen.
Ob und wie schnell sich dieser Umstand ändert, wenn sich die Finanzmärkte wieder beruhigen und im Hinblick auf das Erreichen der engagierten EU-Klima- und Umweltziele weitere Billionen Euro in nachhaltige Investitionen fließen, wird die Zukunft zeigen. Momentan läuft „schmutzig“ besser als „grün“.
Kontraproduktive EU-Regularien
Einen weiteren Tiefschlag versetzen „grünen“ Veranlagungen die strengen EU-Kriterien für nachhaltige Finanzprodukte. Finanzprodukte, die sich gemäß den EU-Kriterien als (ökologisch) nachhaltig bezeichnen dürfen, beinhalten einen Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen. Dieser Mindestanteil muss – unabhängig von der Marktsituation – immer investiert sein. Cash-Bestände oder Absichern mittels Hedging gelten gemäß den EU-Kriterien nämlich nicht als nachhaltige Investments.
Der Handlungsspielraum von Asset Managern, der gerade in schwierigen Marktphasen unverzichtbar ist, wird durch die EU-Regularien spürbar beschnitten, weil festgelegte Mindestanteile niemals unterschritten werden dürfen. Das Begrenzen von Verlusten durch Umschichten in Cash ist in EU-konformen nachhaltigen Finanzprodukten nur eingeschränkt möglich. Auch das kann zu Verlusten führen.
„Grün“ investiert zu sein, kann in der aktuellen Marktsituation sowie im Vergleich zu traditionellen Geldanlagen durchaus erheblich an Performance kosten. Gleichzeitig kann sich durch den beschnittenen Handlungsspielraum von Asset Managern das Anlage- bzw. Verlustrisiko weiter erhöhen. Ob dieser Preis das beruhigte „grüne“ Gewissen aufwiegt, muss jeder nachhaltig orientierte Anleger für sich selbst entscheiden.
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