EU übt Selbstkritik und will Finanzbildung fördern

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Finanzbildung rückt auch auf EU-Ebene verstärkt in den Fokus. Die EU-Kommission äußert in einer Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie den Ausschuss der Regionen ihr Ansinnen, mehr für das Vermitteln von Finanzbildung zu tun. Finanzberater sollen als „Gatekeeper“ für das Finanzsystem eine entscheidende Rolle spielen.

Im Rahmen der Initiative „Eine Kapitalmarktunion für die Menschen und Unternehmen“ (externer Link) hat die Europäische Kommission am 24. September 2020 einen neuen Aktionsplan veröffentlicht. Eine der geplanten Maßnahmen sieht vor, dass bis zum zweiten Quartal 2021 eine Machbarkeitsstudie für die Entwicklung eines europäischen Finanzbildungsrahmen durchgeführt wird. Ziel dabei ist es, unter Behörden und privatwirtschaftlichen Einrichtungen ein gemeinsames Verständnis von Finanzkompetenz zu fördern und eine Grundlage für die Entwicklung von Finanzkompetenz in verschiedenen Anwendungen und Situationen zu schaffen.

Europäischer Finanzbildungsrahmen

Zusätzlich zur Machbarkeitsstudie will die EU-Kommission prüfen, ob die Mitgliedstaaten in die Pflicht genommen werden könnten, um Maßnahmen zum Vermitteln von Finanzwissen zu fördern, insbesondere mit Blick auf verantwortliche und langfristige Investitionen. Denn Finanzwissen erkennt die Kommission als von entscheidender Bedeutung für fundierte Entscheidungen. Gleichzeitig sollten Kleinanleger auch angemessen vor der Komplexität des Finanzsystems geschützt werden.

Nachdem ich seit vielen Jahren die Meinung vertrete, dass jede Konsumentin und jeder Konsument über ein Mindestmaß an praxisnahem Finanzwissen verfügen sollte – siehe meine Initiative anlegerakademie.at – kann ich diesen Plan grundsätzlich nur befürworten.

Kommission übt Selbstkritik an Informationsflut

Die Kommission befindet einerseits, dass in den EU-Vorschriften bereits Schutzmechanismen für Anleger enthalten sind, wie etwa die Veröffentlichung von Informationen zu Finanzprodukten. Andererseits scheint die Kommission aber (endlich) auch zu erkennen, dass die nach verschiedensten Bestimmungen (wie zum Beispiel MiFID II) vorzulegenden Unterlagen oftmals als lang, komplex, schwer verständlich, irreführend und widersprüchlich empfunden werden. Bemerkenswert finde ich die unmissverständliche Feststellung, dass die vorzulegenden Unterlagen keine ideale Grundlage für die Investitionsentscheidungen von Kleinanlegern sind.

Die Kommission merkt auch an, dass diese Unterlagen ein Überangebot an Informationen für erfahrene Anleger enthalten können, die diese Informationen und Schutzmechanismen möglicherweise nicht in demselben Maß benötigen wie unerfahrene Anleger.

Die Selbstkritik gipfelt in der Erkenntnis, dass die Erstellung dieser Unterlagen für Finanzdienstleister zudem oft unnötig aufwendig ist (sic!). Darüber hinaus könnten die Anreize der Produkthersteller für Vertreiber zu Interessenkonflikten führen, die die Qualität und Objektivität der Finanzberater trotz der bestehenden Schutzmechanismen beeinträchtigen.

Finanzberater spielen eine entscheidende Rolle

Für die Kommission spielen Finanzberater als „Gatekeeper“ für das Finanzsystem eine entscheidende Rolle. Erkannt wird auch, dass in den einzelnen Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für Qualifikation, Kenntnisse und Fähigkeiten der Berater nach wie vor ganz unterschiedlich sind. Für die berufliche Praxis der Berater sollen daher bestimmte Standards festgelegt werden, um

  • das Risiko von unlauteren Verkaufspraktiken, auch im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte, zu verringern,
  • das Vertrauen von Kleinanlegern in die Beratung zu erhöhen und
  • für faire Wettbewerbsbedingungen für die Marktteilnehmer zu sorgen, die in den einzelnen Mitgliedstaaten Beratungsleistungen erbringen.

Bleibt zu hoffen, dass nicht erneut – siehe Selbstkritik der EU-Kommission – das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, und das sehr begrüßenswerte Ziel von mehr Finanzbildung in überbordenden Standards, also zusätzlichen gesetzlichen Bestimmungen, untergeht.


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