ESMA Guidelines zur Eignungsbeurteilung von Leitungsorganen und Schlüsselfunktionen

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Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) haben heute ihre überarbeiteten endgültigen gemeinsamen und 100 Seiten umfassende Leitlinien zur Beurteilung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen veröffentlicht. Die Leitlinien werden ab dem 31. Dezember 2021 gelten.

Neben der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist die Aufrechterhaltung der Stabilität und Integrität des Finanzsystems wesentlich, schreibt die ESMA in ihrer Pressemitteilung. Darüber hinaus ist eine ausgewogene Zusammensetzung des Leitungsorgans nach Geschlechtern von besonderer Bedeutung. Die Institute sollten den Grundsatz der Chancengleichheit für alle Geschlechter respektieren und Maßnahmen ergreifen, um eine ausgewogenere Zusammensetzung der Mitarbeiter in Führungspositionen zu verbessern, um einen ausgewogeneren Pool von Kandidaten für Positionen innerhalb des Leitungsorgans zu gewährleisten.

Zu den vielen Aspekten, die es zu bewerten gilt, zählt auch die „Unabhängigkeit des Geistes“. Bei dieser Beurteilung gemäß Absatz 79 der Leitlinien sollten die Institute bewerten, ob alle Mitglieder des Leitungsorgans u.a. über die erforderlichen Verhaltensfähigkeiten, wie etwa den Mut, die Überzeugung und die Kraft, die vorgeschlagenen Entscheidungen anderer Mitglieder des Leitungsorgans wirksam zu beurteilen und in Frage zu stellen, verfügen.

An Anhang II listen die Leitlinie in einer nicht erschöpfenden Liste relevante Fähigkeiten auf, auf Institute bei der Durchführung ihrer Eignungsbeurteilung berücksichtigen sollten:

  • Authentizität: ist konsequent in Wort und Tat und verhält sich in Übereinstimmung mit den eigenen erklärten Werten und Überzeugungen. Kommuniziert offen seine Absichten, Ideen und Gefühle, fördert ein Umfeld der Offenheit und Ehrlichkeit und informiert den Vorgesetzten korrekt über die aktuelle Situation, wobei er gleichzeitig Risiken und Probleme anerkennt.
  • Sprache: ist in der Lage, sich mündlich strukturiert und konventionell zu verständigen und schriftlich in der Landessprache oder der Arbeitssprache des Standorts der Einrichtung zu schreiben.
  • Entscheidungsfreudigkeit: trifft zeitnahe und fundierte Entscheidungen, indem er schnell handelt oder sich auf eine bestimmte Vorgehensweise festlegt, z. B. indem er seine Meinung äußert und nicht aufschiebt.
  • Kommunikation: ist in der Lage, eine Botschaft auf verständliche und akzeptable Weise und in angemessener Form zu übermitteln. Konzentriert sich darauf, Klarheit und Transparenz zu schaffen und zu erhalten und ermutigt zu aktivem Feedback.
  • Urteilsvermögen: Ist in der Lage, Daten und verschiedene Handlungsmöglichkeiten abzuwägen und zu einer logischen Schlussfolgerung zu kommen. Untersucht, erkennt und versteht die wesentlichen Elemente und Probleme. Hat den Weitblick, über den eigenen Verantwortungsbereich hinauszublicken, insbesondere wenn es um Probleme geht, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden könnten.
  • Kunden- und qualitätsorientiert: konzentriert sich darauf, Qualität zu liefern und, wo immer möglich, Wege zu finden, diese zu verbessern.
  • Führung: gibt einer Gruppe die Richtung und Führung vor, entwickelt und erhält die Teamarbeit, motiviert und fördert die vorhandenen menschlichen Ressourcen und stellt sicher, dass die Mitarbeiter die fachliche Kompetenz haben, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Ist empfänglich für Kritik und bietet Raum für eine kritische Auseinandersetzung.
  • Loyalität: Identifiziert sich mit dem Unternehmen und hat ein Gefühl des Engagements. Zeigt, dass er/sie der Aufgabe ausreichend Zeit widmen und seine/ihre Pflichten ordnungsgemäß erfüllen kann, verteidigt die Interessen des Unternehmens und arbeitet objektiv und kritisch. Erkennt und antizipiert potenzielle Konflikte von persönlichen und geschäftlichen Interessen.
  • Externes Bewusstsein: Beobachtet Entwicklungen, Machtverhältnisse und Haltungen innerhalb des Unternehmens. Ist über relevante finanzielle, wirtschaftliche, soziale und andere Entwicklungen auf nationaler und internationaler Ebene, die sich auf das Unternehmen auswirken können, sowie über die Interessen der Stakeholder gut informiert und in der Lage, diese Informationen effektiv zu nutzen.
  • Verhandlungsführung: identifiziert und offenbart gemeinsame Interessen in einer Art und Weise, die darauf abzielt, einen Konsens zu erzielen, und verfolgt dabei die Verhandlungsziele.
  • Überzeugungskraft: ist in der Lage, die Ansichten anderer zu beeinflussen, indem er Überzeugungskraft ausübt und natürliche Autorität und Taktgefühl einsetzt. Ist eine starke Persönlichkeit und fähig, standhaft zu bleiben.
  • Teamwork: ist sich des Gruppeninteresses bewusst und leistet einen Beitrag zum gemeinsamen Ergebnis; kann als Teil eines Teams funktionieren.
  • Strategischer Scharfsinn: ist in der Lage, eine realistische Vision zukünftiger Entwicklungen zu entwickeln und diese in langfristige Ziele umzusetzen, z. B. durch Anwendung von Szenarioanalysen. Berücksichtigt dabei angemessen die Risiken, denen das Unternehmen ausgesetzt ist, und ergreift geeignete Maßnahmen zu deren Beherrschung.
  • Stressresistenz: ist belastbar und in der Lage, auch unter großem Druck und in Zeiten der Unsicherheit konstante Leistungen zu erbringen.
  • Verantwortungsbewusstsein: versteht interne und externe Interessen, bewertet sie sorgfältig und legt Rechenschaft darüber ab. Hat die Fähigkeit zu lernen und ist sich bewusst, dass sein Handeln die Interessen der Stakeholder beeinflusst.
  • Leitung von Besprechungen: ist in der Lage, Besprechungen effizient und effektiv zu leiten und eine offene Atmosphäre zu schaffen, die alle zur gleichberechtigten Teilnahme ermutigt; ist sich der Pflichten und Verantwortlichkeiten anderer Personen bewusst.

Ohne ein Wunderwuzzi zu sein, wird es zukünftig also nichts mehr mit einer Leitungs- oder Schlüsselfunktion in einer Bank oder Wertpapierfirma … 😉


Download Final report on joint ESMA and EBA Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU


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