
Wie barrierefrei müssen Wertpapierdienstleistungen ab 28. Juni 2025 sein?
Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsgesetz BaFG in Kraft, mit dem die Richtlinie (EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen national umgesetzt wird. Dieses Gesetz verpflichtet Wirtschaftstreibende zur Einhaltung von Barrierefreiheitsanforderungen, wenn ihre Produkte und/oder Dienstleistungen in den Anwendungsbereich des BaFG fallen. Und genau hier fangen die Unklarheiten für Finanzdienstleister an.
Der Geltungsbereich des Barrierefreiheitsgesetzes BaFG umfasst gemäß § 2 Abs 2 Z 4 BaFG (Geltungsbereich) auch „Bankdienstleistungen für Verbraucher und Verbraucherinnen“. Finanzinstitute, wie Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen, dürfen sich jedoch durch den Begriff „Bankdienstleistungen“ nicht täuschen lassen.
Vorab: Ausnahmen für kleine Unternehmen
Kleinste und kleine Unternehmen fallen nicht in den Anwendungsbereich des BaFG. Darunter sind all jene Unternehmen zu verstehen, die weniger als 10 Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Mio. Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Mio. Euro beläuft. Viele Wertpapierunternehmen sind damit sozusagen aus dem Schneider. Aber lange nicht alle.
Bankdienstleistungen sind MiFID-Dienstleistungen
§ 3 Z 25 BaFG (Begriffsbestimmungen) definiert als „Bankdienstleistung“ die Bereitstellung der folgenden Bank- und Finanzdienstleistungen für Verbraucher und Verbraucherinnen (hier im Folgenden stark verkürzt wiedergegeben):
- Kreditverträge, Verbraucherkreditverträge, Hypothekarimmobilienkredite
- Dienste gemäß (…) der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente
- Zahlungsdienste gemäß Zahlungsdienstegesetz ZaDiG
- mit einem Zahlungskonto verbundene Dienste nach dem Verbraucherzahlungskontogesetz VZKG
- Dienstleistungen im Zusammenhang mit E-Geld gemäß dem E-Geldgesetz
Bei Diensten gemäß der Richtlinie 2014/65/EU muss es bei Wertpapierdienstleistern klingeln, denn das sind Wertpapierdienstleistungen im Sinne von WAG 2018 und MiFID II. Also fallen auch Annahme und Übermittlung von Aufträgen, Ausführung von Aufträgen im Namen von Kunden, Portfolioverwaltung und Anlageberatung in die Anwendung des Barrierefreiheitsgesetzes BaFG.
Kein expliziter Bezug zu Online-Bankdienstleistungen
Alle im BaFG genannten Produkte und Dienstleistungen haben direkt oder indirekt Bezug zu Online- und Internet- bzw. elektronischen und mobilen Anwendungen. Wie zum Beispiel:
- Geldautomaten, Fahrkartenautomaten sowie elektronische Tickets
- Verbraucherendgeräte für elektronische Kommunikationsdienste
- E-Book-Lesegeräte sowie E-Books und hierfür bestimmte Software
- elektronische Kommunikationsdienste (z. B. Internet- und Videotelefonie, Online-Messengerdienste)
- auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen, einschließlich mobiler Anwendungen (Apps)
- Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr (alle Onlineshops und Internetseiten im Zusammenhang mit B2C-Geschäften)
Nur der Begriff Bankdienstleistung kommt ohne jeglichen Bezug zu Online- und Internet- bzw. elektronischen und mobilen Anwendungen aus. Genau genommen heißt das, dass jede Form der Erbringung von u.a. Anlageberatung und Portfolioverwaltung – online sowie offline – unter das BaFG fällt. Ob das vom (ursprünglich europäischen) Gesetzgeber so gedacht war, darf bezweifelt werden. Aber so steht es im Barrierefreiheitsgesetz.
Derzeit keine rechtssichere Antwort
Wie und in welchem Umfang das BaFG ab 28. Juni 2025 tatsächlich auf Bank- bzw. Wertpapierdienstleistungen anzuwenden ist, ist derzeit unklar. Auch in intensiven Expertengesprächen lässt sich keine wirklich rechtssichere Antwort finden. Gar nichts zu tun, ist aber sicherlich keine gute Idee. Trotzdem wird sich die akzeptierte Umsetzung des BaFG für Bankdienstleistungen wohl erst im fachlichen Austausch mit der zuständigen Marktüberwachung (Sozialministeriumservice) klären lassen.
