
Bargeld ist nicht ganz so anonym wie oft angenommen
Zahlungen mit Bargeld gelten als vollkommen anonym. Und, im Gegensatz zu elektronischen Zahlungsmethoden, als krisensicher. Wann immer die Diskussion über das Abschaffen von Bargeld aufkeimt, gehen die Wogen hoch. Klar, denn wir Österreicher lieben unser Bargeld. Laut der Zahlungsmittelumfrage der Oesterreichischen Nationalbank OeNB wickelten wir 2023 immer noch 63 Prozent aller Zahlungen in bar ab. Durchschnittlich haben wir 102 Euro Bargeld direkt in der Geldbörse (siehe Back to cash: Im Krisenfall zählt nur Bargeld. Aber hunderprozentig anonym sind Barzahlungen gar nicht mehr.
Wirklich anonym nach dem Behaben am Bankomaten?
Eine Recherche von Netzpolitik.org, einem deutschen Medium für digitale Freiheitsrechte, arbeiten Strafverfolgungsbehörden und Zentralbanken weltweit an einer immer dichteren Nachverfolgung von Bargeld. In Deutschland wird Bargeld-Tracking, genauer gesagt Seriennummern-Nachverfolgung, mittlerweile von den Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften bei Ermittlungen eingesetzt, wie der Recherche zufolge mehrere Landespolizeien gegenüber Netzpolitik.org bestätigten.

Die nötige Technik, um den Weg einer Banknote nachzuverfolgen zu können, existiert bereits und wird in zahlreichen Ländern eingesetzt. Datenschützer warnen vor dieser neuen Form der Massenüberwachung und dem Eingriff in die Grundrechte, den Bargeld-Tracking potenziell bedeutet. Der Schutz der Privatsphäre ist für viele Menschen nunmal ein wichtiger Vorteil des Bargelds.
Die Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein wird von Netzpolitik.org zitiert: „Wenn Seriennummern mit Zeit und Ort der Erfassung gespeichert und diese Daten immer granularer gesammelt werden, verliert man die Anonymität des Bargelds.“ Udn weiter: „Ab einer gewissen Schwelle könnten beispielsweise Standortdaten von Personen abgeleitet werden. Ebenso ließe sich dann ablesen, wer sich wofür interessiert.“
Verräterische Seriennummer
Die Seriennummer eines Geldscheins kann im Laufe seines Lebens vielfach erfasst werden. Beispielsweise, wenn damit an Automaten (Fahrkarten, Parkgarage, Zigaretten, Snacks) bezahlt wird, oder in Geldzähl- und Sortiermaschinen von Geldtransportunternehmen. Je öfter eine Seriennummer registriert wird, desto genauer kann ihr Umlauf rekonstruiert werden. Strafverfolgungsbehörden nutzen dieses Tracking u.a. im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

Die deutsche Polizei hat eine Bargeld-Datenbank, in der einzelne „belastete“ Geldscheine mit bestimmten Personen verknüpft werden. Sogar eine europaweite Suche ist möglich. Die Seriennummern werden in der Polizeidatenbank auch mit Personen bzw. personenbezogenen Daten verknüpft. Parallel zur Speicherung in der nationalen Datenbank erfolge auch eine Fahndungsspeicherung im Schengener Informationssystem, in dem sich Banknoten-Seriennummern auch europaweit suchen lassen.
Innovatives Geschäftsmodell
Netzpolitik.org hat herausgefunden, dass eine Firma namens Elephant & Castle IP GmbH eine automatisierte Tracking-Technologie für Behörden anbietet. Das Unternehmen bekommt Banknoten-Seriennummern mit Ort- und Zeitstempeln von deutschen Geldtransportunternehmen. DIe Technologie ermögliche es, auf Knopfdruck die Historie von Banknoten nachzuvollziehen, meint der Geschäftsführer.
Bargeld ist, im Gegensatz zu elektronischen Bezahlmethoden mit Karte oder Smartphone, „Blackout-sicher“. Das Tracking funktioniert nicht lückenlos, aber so hundertprozentig anonym, wie viele Bargeld-Fans denken, sind Barzahlungen auch nicht. Inbesondere, wenn registrierte Seriennummern mit Personen- und Standortdaten verknüpft werden. Wenig praxistauglicher Lösungsansatz, um die Anonymität zu wahren: Nur noch Münzgeld verwenden.
