
Grüne Leuchtturmprojekte der EU werden verschoben und vereinfacht
Es ist still geworden um das den europäischen Grünen Deal und sein visionäres Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Was EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Dezember 2019 mit viel politischer Motivation präsentiert hat, verliert angesichts geopolitischer Brandherde, kriselnder Wirtschaft, technologischem Wettbewerb und US-Zoll-Kapriolen spürbar an Tempo und Zuspruch aus der Wirtschaft. Auch der Schwenk vom Grünen Deal zum Clean Industrial Deal verhindert nicht, dass viele grüne Pläne der EU mit Sand im Getriebe kämpfen.
EU-Kommission knickt ein
Bereits Ende 2024 knickte die EU-Kommission angesichts der zunehmenden und teils vollkommen berechtigten Kritik an der überbordenden grünen Bürokratie ein erstes Mal ein. Die Anwendung der missliebigen EU-Entwaldungsverordnung EUDR wurde um ein Jahr verschoben. Ob und was davon Ende dieses Jahr tatsächlich kommt, bleibt abzuwarten. Österreich setzt sich für deren gänzliche Abschaffung ein.
Schlankere Taxonomie & mehr Rüstung
Die Anwendung des zentralen Regelwerks, der EU-Taxonomie-Verordnung, soll für Unternehmen vereinfacht werden. Weniger Verwaltungsaufwand soll die EU wieder wettbewerbsfähiger machen – ohne die EU-Klima- und Umweltziele zu vernachlässigen.

Gleichzeitig keimt im Zusammenhang mit der europäischen Verteidigungsfähigkeit die Diskussion auf, ob Investitionen in die Rüstungsindustrie als nachhaltig gelten können. Dafür müssten die ESG-Kriterien allerdings sehr situationselastisch ausgelegt werden.
Omnibus-Paket für Vereinfachungen
Anfang 2025 kündigte die EU-Kommission deutliche Vereinfachungen der Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD sowie der EU-Berichtsstandards ESRS an. Um Zeit für das Überarbeiten zu schaffen, wurde die Anwendung der CSRD vorsorglich verschoben.

Ebenfalls bereits verschoben wurde die Anwendung der EU-Lieferketten-Richtlinie CSDDD, die Unternehmen zu umfassenden Sorgfaltspflichten in ihren globalen Wertschöpfungsketten verpflichten sollte. Gewichtige politische Akteure wie der französische Präsident Emmanuel Macron und der deutsche Kanzler Friedrich Merz fordern gar deren komplette Abschaffung.
Zugeständnisse an Autoindustrie
Die Absatzflaute bei Elektro-PKW veranlasste die europäische Autoindustrie zur Forderung, die strengen, ab 2025 geltenden Flottenverbrauchsziele aufzuweichen. Auch hier fand die EU-Kommission keine andere Lösung, als einzuknicken und die CO2-Flottenemissionsziele auf die Jahre 2025 bis 2027 zu strecken. Kritiker dieses Entgegenkommens sehen damit die Abkehr vom Verbrenner-Aus ab 2035 eingeläutet.

Vertreter der schwächelnden Autoindustrie, wie Mercedes Bank-Chef Ola Källenius sprechen sich, wie n-tv berichtete, bereits klar gegen das Verbrenner-Verbot aus, das dem Klima gar nichts nützen würde und den europäischen Automarkt kollabieren ließe. Elektroautos sollten durch niedrige Strompreise an Ladesäulen und Steuervorteile gefördert werden. Eine wohl nicht ganz uneigennützige Forderung.
Vieles auf dem Prüfstand
Abseits der öffentlichen Wahrnehmung wird beispielsweise überlegt, die Richtlinie über Umweltaussagen (Green Claims Directive) aufzugeben und es bei der bereits in Kraft befindlichen neuen EU-Konsumentenschutz-Richtlinie zu belassen. Im Finanzbereich befindet sich die Offenlegungsverordnung SFDR in Überarbeitung, da sich unter anderem die EU-Klassifizierung für nachhaltige Finanzprodukte (Artikel 8/9-Produkte) als Fehlkonstruktion erwiesen hat.
Clean Industrial Deal
Sogar der Kommission selbst scheint der Grüne Deal mittlerweile zu grün zu sein. Der neue gemeinsame EU-Fahrplan heißt daher Clean Industrial Deal. Bemerkenswert ist, dass dieser bereits in der Überschrift die Wettbewerbsfähigkeit vor die Dekarbonisierung stellt. Das Zieldatum der Dekarbonisierung 2050 bleibt aufrecht, wird in dem 30-seitigen Dokument allerdings nur mehr ein einziges Mal erwähnt.
Dieser Beitrag ist erstmals im Börsen-Kurier Nr. 37 vom 11. September 2025 erschienen.
